Erschöpfungsgrundsatz: OEM-Software auf Computern von Fremdherstellern nutzen

Bild: Windows 8 64-Bit OEM
Bild: Windows 8 64-Bit OEM

Unser Support-Team erhält regelmäßige Anfragen zum Thema OEM-Software. Meist herrscht Unsicherheit darüber, ob OEM-Software, die über einen Erstausrüster in Verbindung mit einem neuen Computer in Vertrieb gebracht und gelabelt wurde, auch auf anderen Computern verwendet werden können. In diesem Blogbeitrag möchten wir Klarheit schaffen und den Erschöpfungsgrundsatz behandeln, welcher bezüglich dieser Fragestellung Rechtssicherheit schafft.

BGH-Urteil vom 6. Juli 2000 (Az. I ZR 244/97)

Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 6. Juli 2000 setzt sich unter anderem mit dem sogenannten Erschöpfungsgrundsatz auseinander. Dieser besagt, dass es Händlern in Deutschland erlaubt ist, OEM-Software zu verkaufen, ohne dass eine Bindung an Hardware erfolgen muss. Gleiches gilt auch für System-Builder-Versionen, sofern nicht von einem Microsoft-Vertragspartner erworben. Im Klartext bedeutet dies: KäuferInnen dürfen OEM- und System-Builder-Software legal erwerben und nutzen. Auch wenn die Software von einem PC-Hersteller gelabelt wurde, also beispielsweise Firmen- oder Markenlogos trägt, darf die Software auch auf Computern anderer Hersteller oder bei Selbstbau-PCs genutzt werden. Schließlich besagt der Erschöpfungsgrundsatz, dass der Hersteller nach der ersten Veräußerung der Software die „Herrschaft über das Werksexemplar aufgibt“. Dadurch „wird das Werkstück für jede Weiterverbreitung frei“. Weitergehend wird das Urteil folgend begründet: „Könnte der Rechtsinhaber, wenn er das Werkstück verkauft oder seine Zustimmung zur Veräußerung gegeben hat, noch in den weiteren Vertrieb des Werkstücks eingreifen, ihn untersagen oder von Bedingungen abhängig machen, so wäre dadurch der freie Warenverkehr in unerträglicher Weise behindert.“

Vollständige Rechtssicherheit bei Gebrauchtsoftware

KäuferInnen dürfen also OEM- und System-Builder-Software verwenden. Achten Sie beim Kauf darauf, dass alle Begleitmaterialien im Lieferumfang enthalten sind. Das ist insbesondere bei Lizenz-Audits vorteilhaft und schützt vor unliebsamen Konsequenzen wie teuren Nachlizenzierungen. OEM- und System-Builder-Software sind günstige Möglichkeiten, Software günstig und rechtssicher zu beziehen.

Az.: 6 W 42/16 – OLG Frankfurt am Main: Unbenutzter Produktschlüssel darf verkauft werden

Ein nicht aktivierter Lizenzschlüssel einer Software darf verkauft werden, und zwar unabhängig von der Rechtslage zu Gebrauchtsoftware.

Az.: I ZR 4/14 – 19.03.2015 – BGH

Az.: I ZR 4/14 – 19.03.2015 – BGH

Am 19. März 2015 erklärte der Bundesgerichtshof (BGH), dass der Weiterverkauf von Software mittels Produktschlüsseln dann gestattet sei, wenn der Vorerwerber seine Kopien dieses Programms unbrauchbar gemacht hat.

BGH verschiebt Verhandlungstermin

Nachdem der EuGH bereits Mitte 2012 die aufsehenerregende Grundsatzentscheidung zur Frage der Zulässigkeit des Handels von gebrauchter Software fällte, braucht der BGH nun nach der neuerlichen Verschiebung des nächste Verhandlungstermins (vom 16.5.2013 auf den 17.7.2013) ein ganzes Jahr, um diese Entscheidung auf den aktuellen Fall anzuwenden. (Az. I ZR 129/08 (UsedSoft), Vorinstanzen: LG München I – Urteil vom 15. März 2007 – 7 O 7061/06, OLG München – Urteil vom 3. Juli 2008 – 6 U 2759/07)

Viele Softwarehersteller ignorieren bislang das EuGH-Urteil. Dadurch werden Anwender und Käufer weiterhin über die Rechtmäßigkeit des Handels mit Gebrauchtsoftware im Unklaren gelassen. Unwahrscheinlich ist, dass die Hersteller derweil versuchen, noch auf den genauen Wortlaut des BGH Einfluss zu nehmen, eines jedoch ist klar: Je länger das Verfahren dauert, desto länger können die Software-Hersteller darauf hoffen, dass die verunsicherten Kunden gebrauchten Lizenzen skeptisch gegenüberstehen und stattdessen lieber teurere Neuware lizenzieren.

Lesen Sie hier die Meldung des BGH.