Treue Leserinnen und Leser unseres Blogs auf Gebrauchtesoftware.de werden sich an diverse Artikel zu Software-Fälschungen und Betrugsversuchen erinnern, die wir in den letzten Jahren nach eigener Recherche veröffentlicht haben. So entdeckte unsere Redaktion im Mai 2016 und im Mai 2017 Fälschungen von Microsoft Office 2010 bzw. Office 2013 bei Amazon, berichtete auch, weshalb Microsoft Windows und Office ab 1,99 Euro nicht legal sein können. Der aktuelle Fall, mit dem sich die Redaktion befasst, schlägt dem Fass jedoch den Boden aus und ist an Dreistigkeit kaum zu übertreffen; wir bestellten bei einem scheinbar seriösen Händler eine Autodesk-Software für knapp 6.000 Euro und erhielten keinen Gegenwert.
Alles beginnt mit einer Annonce beim Verkaufsportal eBay Kleinanzeigen. Ein aus Bielefeld-Heepen stammender gewerblicher Nutzer, die CS programming UG & Co. KG, bietet hier die Software Autodesk Inventor 2020 Professional als Kauflizenz inklusive Wartungsvertrag an. In der Artikelbeschreibung heißt es unter anderem:
Artikelbeschreibung suggeriert den Verkauf einer Vollversion ohne Einschränkungen
Die Artikelbeschreibung wirkt zunächst vertrauenserweckend. Die Software wird von einem gewerblichen Nutzer angeboten und richtet sich an Privatpersonen und Geschäftstreibende, was durch die Zusätze „Software vom Händler incl. Rechnung mit ausgewiesener MwSt.“ und „Steuerfreie Lieferungen an Firmen in EG Ländern mit int. TAX ID möglich!“ unterstrichen wird. Der Angebotstext enthält keine Einschränkungen hinsichtlich der Nutzbarkeit der Lizenz, insbesondere, ob ausdrücklich etwa nur bestimmte Käuferkreise zu einer Nutzung der Lizenz berechtigt sind. Zum Lieferumfang sollen die „Lizenzdaten zur Aktivierung“, das „Installationsprogramm (Vollversion)“ sowie eine Rechnung inkl. ausgewiesener Mehrwertsteuer sowie ein Lehrbuch zählen. „Support bei der Installation / Aktivierung“ soll zusätzlich Vertrauen erwecken, so scheint es zunächst. Unter „Wichtigste Merkmale des Angebots“ wird hervorgehoben, dass es sich um eine „Kaufversion“ handle, bei der „keine weiteren Jahresgebühren und keine weiteren monatlichen Abonnements“ fällig würden.
Zahlungsart: PayPal inkl. Käuferschutz soll Seriosität untermauern
Der Händler gewährt zudem drei Prozent Skonto und verweist darauf, dass jetzt auch „PayPal inkl. Käuferschutz“ möglich sei. Ein weiteres Argument, welches bei Interessierten Vertrauen erwecken dürfte – schließlich würde PayPal bei unseriösen Angeboten oder Betrug zu Gunsten des Käufers entscheiden, das Geld sei abgesichert. Zu erwähnen sei auch der Kaufpreis für die Vollversion von Autodesk Inventor 2020 Professional: 5.699 Euro inkl. Mehrwertsteuer, eine Ansage! Zur Orientierung: Eine seriöse Dauerlizenz einer solchen Software, die inklusive einer durch den Händler initiierten Lizenzübertragung direkt beim Hersteller Autodesk angeboten wird, liegt bei 11.290 Euro. Der Händler, welcher bei eBay Kleinanzeigen auftritt, bietet also einen satten Rabatt in Höhe von rund 50 Prozent an.
Händler veräußert unrechtmäßig Lizenz, die für Bildungseinrichtungen vorgesehen ist
Nach dem Kauf der Software Autodesk Inventor 2020 Professional bei der CS programming UG & Co. KG wird eine E-Mail an die Käuferin geschickt. Darin befinden sich unter anderem eine Seriennummer, ein Registrierungsschlüssel, eine Installationsbeschreibung und die Information, dass die Software (angeblich) auf den Geschäftsführer der Firma übertragen wurde, die die „Lizenz“ bei CS programming gekauft hat.
Sofort fällt auf, dass die in der E-Mail aufgeführte URL zur Aktivierung der Software auf eine Autodesk-Webseite verwiesen wird, unter der ausdrücklich nur Bildungslizenzen aktiviert werden können. Misstrauen kommt auf. Außerdem tauchte die bei CS programming erworbene Inventor-Lizenz nicht im Autodesk-Nutzerkonto der Käuferin als gültige Lizenz auf.
Verkauf von Bildungslizenzen grundsätzlich erlaubt – jedoch unter Auflagen
Der Verkauf von Bildungslizenzen ist prinzipiell nicht illegal. Es gibt aktive Händler in der Branche, welche mit Microsoft-Bildungslizenzen handeln. Dabei werden von Microsoft verbilligt an Einrichtungen herausgegebene Lizenzen erworben, nachdem die Einrichtung diese nicht mehr benötigt und regulär veräußert. Nach dem Kauf solcher Lizenzen werden diese als vollwertige Lizenzen veräußert, was gerichtlich gebilligt ist. Im vorliegenden Fall gibt es jedoch Besonderheiten. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat festgestellt, dass sich der Zweiterwerber einer Software auf den Erschöpfungsgrundsatz (vgl. EuGH 03.07.2012: Rechtssache C 128/11) nur dann berufen kann, sofern die Lizenz dem Erstkäufer a) ohne zeitliche Beschränkung und b) gegen ein Entgelt überlassen wurde, das es dem Hersteller ermöglicht, eine dem wirtschaftlichen Wert der Kopie des ihm gehörenden Werkes entsprechende Vergütung zu erzielen.
Bei der Autodesk-Bildungslizenz, die CS programming vertrieben hat, sind beide Voraussetzungen nicht erfüllt, denn es gibt zum einen eine zeitliche Nutzungsbeschränkung (3 Jahre) und zum anderen wurden die Lizenzen den Bildungseinrichtungen kostenlos überlassen – hier hat also wahrscheinlich kein „Kauf“ (Lizenz gegen Entgelt) vorgelegen. Aus diesem Grund kann sich ein Käufer im vorliegenden Fall wahrscheinlich nicht auf den Erschöpfungsgrundsatz berufen. Das Herunterladen der Installationsdateien vom Server des Händlers stellt zudem höchstwahrscheinlich einen Urheberrechtsverstoß dar, gegen den Autodesk vorgehen könnte
Nachfrage bei Autodesk schafft Klarheit
Eine Anfrage beim Hersteller Autodesk sollte klären, ob die in der E-Mail genannte Seriennummer überhaupt gültig ist und ob die Firma bereits als neue Lizenznehmerin eingetragen ist bzw. noch eingetragen werden kann. Autodesk antwortete wie folgt:
„[Die] Seriennummer xxx-xxxxxxxx ist eine nicht aktive Inventor Professional 2020-Lizenz mit 125 Plätzen, die kostenlos an eine Bildungseinrichtung vergeben werden kann. An der Historie der Seriennummer ist zu erkennen, dass diese noch keinen Besitzer gehabt hat und demzufolge auch weder verkauft noch übertragen werden kann.“
Wenig später ergänzte Autodesk diese Angaben noch wie folgt:
„Die Seriennummer xxx-xxxxxxxx ist noch gar nicht registriert worden und hatte auch in der Vergangenheit keinen Eigentümer. Der illegale, kommerzielle Vertrieb von kostenlosen Bildungslizenzen ist jedoch nicht unbekannt und wir arbeiten gerade an einem Prozess, um die Educational Licenses und deren Vergabe noch mehr zu schützen. Ich habe den Fall mit allen verfügbaren Informationen intern weitergeleitet, woraufhin dieser untersucht wird und Autodesk Compliance die notwendigen Schritte einleitet. Danke nochmals für Ihre Aufmerksamkeit. Für weitere Hinweise bzw. Fragen stehen wir jederzeit gern zur Verfügung.“
CS programming lehnt Rückabwicklung ab
Auf Rückfrage beim Anbieter CS programming wurde nicht bestritten, eine Bildungslizenz geliefert zu haben, allerdings verweist der Anbieter auf seine AGB, die er angeblich in den Vertrag mit der Käuferin mit einbezogen hätte. Demzufolge sei „eine ausschließlich gewerbliche/gewinnorientierte Nutzung der Lizenz […] nie zugesagt“ worden. Im Übrigen stünde diese „u.a. auch in Konflikt mit unseren akzeptierten AGB (insbesondere Punkt 6.1 sowie 7.2.)“ Die Käuferin solle die Software „nach den Lizenzvereinbarungen des Herstellers“ nutzen. Telefonisch wurde aber zugesichert, dass die Software auch durch Unternehmen genutzt werden könne. Nach dem Lizenzbedingungen des Herstellers dürfen „licenses for educational institutions“ nur im direkten Zusammenhang mit Lern-, Lehr-, Schulungs-, Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten verwendet werden, die zu den Lehrtätigkeiten einer berechtigten Bildungseinrichtung gehören. Darüber hinaus haben diese Bildungslizenzen – in Abweichung zu (sonstigen) Kauflizenzen – nur eine Laufzeit von drei Jahren. Eine Rückabwicklung des Kaufs lehnt die Firma CS programming bis heute ab.
Da der Fall noch nicht abschließend gerichtlich geklärt ist, ist auch der in der Artikelbeschreibung erwähnte PayPal-Käuferschutz bis dato wirkungslos. Die hier im Artikel vorgelegten Tatsachen reichten nicht aus, dass die Käuferin den Kaufbetrag erstattet bekam.
Händler verkauft weitere Lizenzen
Seit Dezember 2019 sichten wir Produkte des Händlers CS programming bei eBay Kleinanzeigen. Dabei handelt es sich unter anderem um Autodesk Inventor 2020 (5.699 Euro), Autodesk Revit 2020 (6.599 Euro) und Autodesk VRED Professional 2020 (29.000 Euro). Die Artikel sind meist nicht länger als zwei Wochen gelistet und ähneln sich hinsichtlich der Kernaussagen in den Artikelbeschreibungen stark. Unserer Auffassung nach kann deshalb nicht ausgeschlossen werden, dass hier systematisch gehandelt wird und es sich auch in weiteren Fällen nicht um eine Software handelt, die uneingeschränkt von Privatpersonen oder Unternehmen eingesetzt werden darf. Interessant auch: Zum Zeitpunkt des Inventor-Kaufs wurde bereits angegeben, dass es sich um den „Letzten Artikel“ handle, der Kaufpreis lag am 7. November 2019 außerdem noch bei 4.999 Euro (jetzt bei 5.699 Euro). Neben eBay Kleinanzeigen handelt die CS programming auch über ihre eigene Internetpräsenz.
Vorsicht beim Software-Kauf: Autodesk-Dauerlizenzen sind Expertensache!
Grundsätzlich bietet Autodesk seine Software seit dem 1. August 2016 ausschließlich zur Miete an. So sollen im Zuge einer Umstrukturierung des Unternehmens Kunden langfristig gebunden und höhere Umsätze erzielt werden. Allerdings gibt es auch im Jahr 2020 noch die Möglichkeit, legale und rechtssichere Kaufversionen von Autodesk bei Drittanbietern zu erwerben. Das ist möglich, indem Kaufversionen aus der Zeit vor der „Autodesk-Mietpflicht“ in einem aktiven Wartungsvertrag gehalten wurde und so einen Versionssprung erfahren hat. Endete beispielsweise der Wartungsvertrag der ursprünglich im Jahr 2015 erworbenen AutoCAD LT-Lizenz im März 2019, entstand also eine dauerhaft nutzbare Lizenz von AutoCAD LT 2019. Diese Dauerlizenz bietet ein zeitlich uneingeschränktes Nutzungsrecht und kann auch an Dritte veräußert werden, da hier der Erschöpfungsgrundsatz greift. Die Software muss aber direkt beim Hersteller in den Autodesk-Account des neuen Nutzers übertragen werden. Seriöse Händler von Autodesk-Gebrauchtsoftware weisen auf eine Lizenzübertragung hin und führen diese im Kundenauftrag durch. Dauerlizenzen von Autodesk sollten immer von seriösen und erfahrenen Gebrauchtsoftware-Händlern durchgeführt werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass es sich um rechtssichere und einwandfreie Ware handelt.