Softwareanbieter zahlt Behörden Honorare für Programmtests

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Aus Recherchen der Redaktion von CORRECTIV.RUHR geht hervor, dass der Softwareanbieter Prosoz Herten aus Nordrhein-Westfalen Verwaltungsmitarbeiter in 103 Kommunen bezahlt. Die Beschäftigten in den Behörden testen dabei offiziell neue Software-Versionen oder führen Fortbildungen bei Kollegen durch. Prosoz ist auf die Entwicklung von Software für Gemeinden, Städte und Landkreise spezialisiert. Laut Prosoz könne man durch die Kooperation zeitnah benötigte Änderungen bei der Software realisieren. Allerdings könnte die enge Bindung zwischen Prosoz und den Behörden dazu führen, dass das jeweilige Amt weiterhin Lizenzen des Anbieters bezieht. Auch eine Einflussnahme auf Ausschreibungen und Neueinkäufe ist nicht völlig auszuschließen. Ein ehemaliger Ex-Geschäftsführer von Prosoz soll dies gegenüber CORRECTIV.RUHR bestätigt haben: „Ganz wichtig für neue Aufträge oder fortlaufende Verträge ist die Stimmung.“ Ferner heißt es, dass wenn die Stimmung gut sei, Ausschreibungen so spezifisch formuliert werden können, dass nur Prosoz diese erfüllen könne. Aus offizieller Sicht scheint dann alles rechtmäßig zuzugehen.

„Jeder Verdacht der Korruption ist unbegründet“

Prosoz selbst sagt, dass jeder Verdacht auf Korruption unbegründet sei. Die freien Mitarbeiter in den Behörden würden wichtige Arbeiten erfüllen, die Entscheidung für die Software erfolge ausschließlich anhand fachlicher Kriterien. Im Zeitraum 2011 bis 2015 soll Prosoz 850.000 Euro in die freie Mitarbeiterschaft der Behörden-MitarbeiterInnen investiert haben. Brisant: Im Harz-Kreis wurden ein Verwalter im Bauamt und zwei IT-Mitarbeiter bezahlt, hier wurde ein Zusatzmodul ohne Ausschreibung vergeben.

Konkurrenz beklagt Vergabe-Verfahren

Die Konkurrenz beklagt die Vorgehensweise des Unternehmens, da sie mit ihrem Software-Angebot kaum eine Vergabechance hätten. Olaf Reidt, Experte für Vergaberecht an der Humboldt-Universität, zum Fall: „Es ist nach dem Vergaberecht nicht zulässig, dass man an beiden Seiten des Verhandlungstisches sitzt. Es sei denn, man könne den Interessenskonflikt ausschließen, indem man entsprechende Mitarbeiter aus dem Verfahren nimmt.“ Die meisten Kommunen erklärten gegenüber CONNECTIV.RUHR, genau dies getan zu haben.

Kein Anlass, Bestechlichkeit anzunehmen – Situation aber kritisch zu betrachten

In der Brucker Vergabe-Prüfstelle sieht man keinen Anlass, Bestechlichkeit anzunehmen, steht der Situation aber trotzdem kritisch gegenüber. Landrat Thomas Karmasin gegenüber CONNECTIV.RUHR: „Das freut mich nicht, wenn die da so arbeiten.“ Das Landratsbüro Oberhavel bestätigt gegenüber der Märkische Allgemeine sechs angemeldete Nebentätigkeiten im Zusammenhang mit dem Softwareentwickler Prosoz Herten. Allerdings wird betont, dass die Nebentätigkeiten erst nach eingehender Prüfung genehmigt worden sind und zudem weder Einrichtungen, Personal noch Material des Kreises genutzt werden. Ein Interessenskonflikt konnte nicht attestiert werden. Im Kreis Oder-Spree heißt es von einer Sprecherin, der Einsatz von Kunden-Mitarbeitern sei branchenüblich.

Fall erinnert an Vergabeverfahren bei Gebrauchtsoftware

Der vorliegende Fall erinnert an viele Vergabeverfahren bei Gebrauchtsoftware. Oftmals werden Ausschreibungen so formuliert, dass Gebrauchtsoftware-Händler keine Chance auf eine Vergabe haben – obwohl die Software der Neuware lizenz- und produkttechnisch in Nichts nachsteht. Wie wir berichteten, entschied die Vergabekammer Nordrhein-Westfalen, dass bei öffentlichen Vergaben auch Gebrauchtsoftware-Anbieter berücksichtigt werden müssen (VK Münster, 1.3.2016, Aktenzeichen VK 1-2/16). In der Praxis ist dies bis zum Präzedenzfall aber mitunter nicht geschehen, was einen Wettbewerbsnachteil für die Gebrauchtsoftware-Händler entspricht.

VK Westfalen: Gebrauchtsoftware ausdrücklich erlaubt und unbedenklich

In einem Präzedenzfall stellte die Vergabekammer Westfalen klar, dass bei öffentlichen Vergaben auch Gebrauchtsoftware-Anbieter berücksichtigt werden müssen. In der Entscheidung (VK Münster, 1.3.2016, Aktenzeichen VK 1-2/16) wurde betont, dass Gebrauchtsoftware ausdrücklich erlaubt und unbedenklich sei. Damit schließt sich die Entscheidung der Vergabekammer Westfalen nahtlos an die Entscheidung der Vergabekammer Düsseldorf (Aktenzeichen VK – 7/2008-L) an, die ein Gebrauchtsoftware-Händler erstritten hatte.

Ausschreibung für Microsoft Licensing Solutions-Partner wird gestoppt

Die Vergabekammer Münster stoppte jetzt eine Ausschreibung, die sich nur an Microsoft Licensing Solutions-Partner richtete. Es handele sich bei Ausschreibungen, bei denen nur neue Microsoft-Software zugelassen sei, um einen Verstoß gegen das offene Verfahren sowie den Grundsatz der produktneutralen Ausschreibung (§ 31 Abs. 6 VgV – früher § 8 EG Abs. 7 VOL/A). Das bedeutet, dass künftig auch Gebrauchtsoftware bei solchen Ausschreibungen angeboten werden darf. Die Entscheidung wurde damit begründet, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung durch EuGH und BGH es nicht mehr sachlich nachvollziehbar mache, wieso eine Beschränkung auf Neuware besteht. Schließlich hat der Hersteller keinen Anspruch auf Unterlassung oder Schadenersatz gegenüber dem Erwerber der Gebrauchtsoftware.  Die Vergabekammer Münster erkennt und bestätigt also, dass der Gebrauchtsoftwarehandel absolut rechtssicher ist und erlaubt in kommenden Ausschreibungen auch Bewerbungen von entsprechenden Anbietern. Wichtig ist bei den Ausschreibungen, dass sich die Gebrauchtsoftware nicht von der Neufassung unterscheidet.

Rechtliches Risiko bei Audit ausgeschlossen

Weiterhin wird ausgeführt, dass Gebrauchtsoftware kein rechtliches Risiko bei einem Audit darstellt. Es scheint ausgeschlossen, dass Microsoft bei einem Audit die Rechtmäßigkeit der Lizenznutzung bestreiten oder einen Nachweis der Erschöpfung fordern könnte. Mit einer erfolgreichen Inanspruchnahme seitens Microsoft ist also nicht zu rechnen. Es reiche für die Beschaffungsstelle aus, eine Freistellungsvereinbarung mit dem Gebrauchtsoftware-Händler zu erstellen. Hier wird dokumentiert, dass der ursprüngliche Lizenznehmer seine Kopie(n) der Software zum Zeitpunkt des Weiterverkaufs unbrauchbar gemacht hat.

Fazit

Gebrauchte Software erhält ein neues Maß an Rechtssicherheit, wenn es um Ausschreibungen geht. Gebrauchtsoftware-Händler dürfen nicht mehr von Ausschreibungen ausgeschlossen werden. Die Beschaffung gilt als rechtssicher, Bedenken gegenüber gebrauchter Software werden vergaberechtlich nicht mehr anerkannt. Für die Branche ist diese Klarstellung erfreulich – und auch die Behörden dürften von Einsparungen durch Gebrauchtsoftware profitieren.

Mehr zum Thema Steuerverschwendung in der Beschaffung finden Sie im CRN-Interview mit Dirk Lynen, Geschäftsführer der 2ndsoft GmbH. Im Interview mit CRN berichtet Dirk Lynen, Geschäftsführer der 2ndsoft GmbH, wie die Unsicherheit der Einkäufer bezüglich der geltenden Rechtslage bei Gebrauchtsoftware oft zu erheblichen Mehrkosten für Unternehmen, Behörden und auch den Steuerzahler führt.