Niederländische Polizei kauft falsche Office-Lizenzen für drei Millionen Euro

Aus Versehen hat die niederländische Polizei falsche Office-Lizenzen für rund drei Millionen Euro gekauft, das berichtet unter anderem die englischsprachige Nachrichtenseite „TheNextWeb“. Im konkreten Fall geht es aber nicht um gefälschte Ware oder Lizenzschlüssel aus unseriösen Quellen, sondern um eine falsche Edition. Denn die schon 2008 erworbenen 13.000 Lizenzschlüssel für „Microsoft Office Pro Work At Home“ sind nicht für den Polizeidienst geeignet.

Behörde versucht vergeblich, Kaufvertrag rückgängig zu machen

Die Lizenzen wurden direkt bei Microsoft gekauft. Die Behörde hat vergeblich versucht, den Kaufvertrag rückgängig zu machen als auffiel, dass die falsche Edition gewählt wurde. Ein Gericht in Den Haag entschied jetzt, dass die Polizeiverwaltung die Kosten selbst zu tragen hat. Das Urteil wurde begründet, indem Microsoft von der Pflicht freigesprochen wurde, die besagten Lizenzen zurücknehmen zu müssen. Microsoft habe vielmehr lediglich das Recht verkauft, die Software nutzen zu dürfen. Es sei unerheblich, ob die Software genutzt wurde oder nicht. Die Polizeiverwaltung verzichtete auf das Rechtsmittel der Berufung und akzeptierte das Urteil.

Schon 2005 falsche Software gekauft

Auch 2005 kaufte die niederländische Polizei die falschen Office-Lizenzen, damals für knapp 800.000 Euro. In diesem Fall zeigte sich Microsoft aber noch kulant und hob den Kaufvertrag auf. Beim zweiten Fehlkauf war der US-Konzern weniger nachgiebig. Es ist verwunderlich, dass innerhalb von drei Jahren gleich zweifach Office-Software erworben wird, die für den gedachten Einsatz keine ordentliche Lizenzierung erlaubt. Immerhin versicherte die niederländische Polizei in einer Stellungnahme, dass solche Fehler in Zukunft nicht mehr passieren könnten. Man habe die verwaltungsinternen Entscheidungsprozesse geändert, heißt es.

Auch deutsche Behörden haben Probleme mit Entscheidungsprozessen

Mit Software-Pannen haben aber nicht nur die niederländischen Behörden ihre Erfahrungen gemacht. Anfang des Jahres wurde bekannt, dass die Bundeagentur für Arbeit eine 60 Millionen Euro teure Software entwickeln lies, diese aber wegen einer Programmierfehlers nie zum Einsatz kommen wird. Das Projekt „Robaso“ wurde eingestellt.

Softwareanbieter zahlt Behörden Honorare für Programmtests

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Aus Recherchen der Redaktion von CORRECTIV.RUHR geht hervor, dass der Softwareanbieter Prosoz Herten aus Nordrhein-Westfalen Verwaltungsmitarbeiter in 103 Kommunen bezahlt. Die Beschäftigten in den Behörden testen dabei offiziell neue Software-Versionen oder führen Fortbildungen bei Kollegen durch. Prosoz ist auf die Entwicklung von Software für Gemeinden, Städte und Landkreise spezialisiert. Laut Prosoz könne man durch die Kooperation zeitnah benötigte Änderungen bei der Software realisieren. Allerdings könnte die enge Bindung zwischen Prosoz und den Behörden dazu führen, dass das jeweilige Amt weiterhin Lizenzen des Anbieters bezieht. Auch eine Einflussnahme auf Ausschreibungen und Neueinkäufe ist nicht völlig auszuschließen. Ein ehemaliger Ex-Geschäftsführer von Prosoz soll dies gegenüber CORRECTIV.RUHR bestätigt haben: „Ganz wichtig für neue Aufträge oder fortlaufende Verträge ist die Stimmung.“ Ferner heißt es, dass wenn die Stimmung gut sei, Ausschreibungen so spezifisch formuliert werden können, dass nur Prosoz diese erfüllen könne. Aus offizieller Sicht scheint dann alles rechtmäßig zuzugehen.

„Jeder Verdacht der Korruption ist unbegründet“

Prosoz selbst sagt, dass jeder Verdacht auf Korruption unbegründet sei. Die freien Mitarbeiter in den Behörden würden wichtige Arbeiten erfüllen, die Entscheidung für die Software erfolge ausschließlich anhand fachlicher Kriterien. Im Zeitraum 2011 bis 2015 soll Prosoz 850.000 Euro in die freie Mitarbeiterschaft der Behörden-MitarbeiterInnen investiert haben. Brisant: Im Harz-Kreis wurden ein Verwalter im Bauamt und zwei IT-Mitarbeiter bezahlt, hier wurde ein Zusatzmodul ohne Ausschreibung vergeben.

Konkurrenz beklagt Vergabe-Verfahren

Die Konkurrenz beklagt die Vorgehensweise des Unternehmens, da sie mit ihrem Software-Angebot kaum eine Vergabechance hätten. Olaf Reidt, Experte für Vergaberecht an der Humboldt-Universität, zum Fall: „Es ist nach dem Vergaberecht nicht zulässig, dass man an beiden Seiten des Verhandlungstisches sitzt. Es sei denn, man könne den Interessenskonflikt ausschließen, indem man entsprechende Mitarbeiter aus dem Verfahren nimmt.“ Die meisten Kommunen erklärten gegenüber CONNECTIV.RUHR, genau dies getan zu haben.

Kein Anlass, Bestechlichkeit anzunehmen – Situation aber kritisch zu betrachten

In der Brucker Vergabe-Prüfstelle sieht man keinen Anlass, Bestechlichkeit anzunehmen, steht der Situation aber trotzdem kritisch gegenüber. Landrat Thomas Karmasin gegenüber CONNECTIV.RUHR: „Das freut mich nicht, wenn die da so arbeiten.“ Das Landratsbüro Oberhavel bestätigt gegenüber der Märkische Allgemeine sechs angemeldete Nebentätigkeiten im Zusammenhang mit dem Softwareentwickler Prosoz Herten. Allerdings wird betont, dass die Nebentätigkeiten erst nach eingehender Prüfung genehmigt worden sind und zudem weder Einrichtungen, Personal noch Material des Kreises genutzt werden. Ein Interessenskonflikt konnte nicht attestiert werden. Im Kreis Oder-Spree heißt es von einer Sprecherin, der Einsatz von Kunden-Mitarbeitern sei branchenüblich.

Fall erinnert an Vergabeverfahren bei Gebrauchtsoftware

Der vorliegende Fall erinnert an viele Vergabeverfahren bei Gebrauchtsoftware. Oftmals werden Ausschreibungen so formuliert, dass Gebrauchtsoftware-Händler keine Chance auf eine Vergabe haben – obwohl die Software der Neuware lizenz- und produkttechnisch in Nichts nachsteht. Wie wir berichteten, entschied die Vergabekammer Nordrhein-Westfalen, dass bei öffentlichen Vergaben auch Gebrauchtsoftware-Anbieter berücksichtigt werden müssen (VK Münster, 1.3.2016, Aktenzeichen VK 1-2/16). In der Praxis ist dies bis zum Präzedenzfall aber mitunter nicht geschehen, was einen Wettbewerbsnachteil für die Gebrauchtsoftware-Händler entspricht.