Etwa einen Monat nachdem das Handelsmagazin „CRN“ diverse Ungereimtheiten beim Kölner Software-Onlineshop Lizengo aufgedeckt hat, leitet Microsoft jetzt rechtliche Schritte ein. Informieren Sie sich in diesem Beitrag über die aktuelle Sachlage, warum es sich bei Produktschlüsseln nicht automatisch um eine Lizenz handelt und welche Auswirkungen der ganze Vorgang auf die Verbraucher hat.
Kriminelle mit teilweise sehr professionellem Internetauftritt
Beim Verkauf neuer und gebrauchter Software gibt es klare Regeln. Doch immer wieder versuchen Händler, ahnungslose Kunden in die Irre zu führen und mit Produkten Geld zu verdienen, die keine ordentliche Lizenz darstellen und de facto wertlos sind. Ein Fall, der Schlagzeilen machte, war der von pcfritz.de. Die Firma bot, hauptsächlich über das Internet-Auktionshaus eBay, besonders günstige Lizenzen von Windows 7 an (etwa 70 Prozent unter dem damaligen Marktpreis). Im April 2014 wurden rund 170.000 Datenträger beschlagnahmt, bei denen es sich nach Angaben der Staatsanwaltschaft „durchweg um Fälschungen“ handelte. Der insgesamt verursachte Schaden wurde auf neun Millionen Euro geschätzt.
Während unseriöse Softwarehändler in vergangenen Jahren in der Regel an unrealistisch niedrigen Preisen, regelmäßigen Wechseln des Geschäftsnamens und/oder des Geschäftsinhabers, sowie Unstimmigkeiten auf der Website erkennbar waren, gehen die Anbieter inzwischen raffinierter vor. Preise wurden angehoben, wirken jetzt nicht mehr ganz utopisch, sind dennoch für Interessierte verlockend und deutlich unter denen der seriösen Konkurrenz angesiedelt. Onlineauftritte und Produktbeschreibungen wurden aufgewertet. Gezielt wird mit Begrifflichkeiten gespielt (bspw. mit den Wörtern Produktschlüssel und Lizenz), Grauzonen werden genutzt, Falschinformationen gestreut. Ein Eindruck von Rechtmäßigkeit soll entstehen, sogar Geschäftskunden werden angesprochen. Dass viele der angebotenen Produktschlüssel keine ordentliche Lizenz darstellen und dass das bei einem Audit ernsthafte Konsequenzen haben kann, interessiert diese Händler nicht, die nur an schnellen Gewinnen interessiert sind.
Handel mit Gebrauchtsoftware grundsätzlich legal
Auch beim Handel mit Gebrauchtsoftware ist die Lage eindeutig: Spätestens seit dem Grundsatzurteil der großen Kammer des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), welches im Juli 2012 in der Rechtssache C‑128/11 gefällt wurde, ist klar, welche Spielregeln gelten. Es folgten weitere wichtige Urteile, darunter solche des OLG Frankfurt (Ein nicht aktivierter Lizenzschlüssel einer Software darf verkauft werden, und zwar unabhängig von der Rechtslage zu Gebrauchtsoftware, Az.: 6 W 42/16, Mai 2015 – Quellen: Bürgerservice Hessenrecht und Gebrauchtesoftware.de – Urteile) oder des Bundesgerichtshofs (Zulässigkeit des Handels mit gebrauchter Software, bezugnehmend auf die Grundsatzentscheidung des EuGH vom 03.07.2012, Az.: I ZR 129/08, Juli 2013). Der Lieferumfang der Gebrauchtware muss genau dem des Neukaufs entsprechen. Dazu gehört beispielsweise bei Retail-Ware: Datenträger, Handbücher, die Produktverpackung, ein Echtheitszertifikat und gedruckte Lizenzverträge. Wurden die Lizenzen von Microsoft selbst online in Verkehr gebracht, wird eine erhöhte Sorgfaltspflicht vorausgesetzt und es muss eine ordentliche Lizenzübertragung durchgeführt werden. Ein bloßer Produktschlüssel per Post oder E-Mail stellt keine ordentliche Lizenz dar, er stellt kein automatisches Nutzungsrecht dar! Manch unseriöser Händler nutzt den Umstand, dass die Begrifflichkeiten Produktschlüssel und Lizenz fälschlicherweise im Sprachgebrauch synonym verwendet werden, schamlos aus.
Der Fall Lizengo: Machen sie Software wirklich einfach?
Unter dem Motto „Wir machen Software einfach!“ bietet Lizengo über den Onlineshop Produktschlüssel zu Preisen deutlich unter Marktpreis an. Zuletzt fiel das Unternehmen durch seine Kooperation mit dem Lebensmittelhändler Edeka auf. Hier wurden unter anderem Windows 10 Pro für 39,99 Euro und Microsoft Office 2016 Standard für 149,99 Euro angeboten. Beim Bezahlen an der Edeka-Kasse erhielten Kunden eine Quittung mit einem 12-stelligen Software-Code, den sie noch immer auf der Lizengo-Website einlösen können (Stand: 28. Oktober 2019, siehe Screenshot).
EDEKA und Lizengo beenden Zusammenarbeit – Viele Angaben verschwinden von der Lizengo-Website
Anschließend ließ sich die Software laut Lizengo „ganz bequem herunterladen, installieren und mit dem erhaltenen Produktschlüssel aktivieren.“ Lizengo betont, es handle sich „ausschließlich um neue, legale und originale Produktschlüssel.“ Um den Eindruck der Seriosität zu untermauern, werden Presse-Zitate präsentiert. So urteilt etwa Chip.de: „Ob der günstigen Preise kann man natürlich misstrauisch werden, aber bei Edeka können Sie ohne großes Risiko zuschlagen.“ Inhaltlich betrachtet ist diese Aussage mehr als fragwürdig. Nur weil ein seriöser Händler eine Ware anbietet, bedeutet das nicht zwangsläufig, dass es auch eine seriöse Ware ist. Das Lizenzrecht ist durchaus komplex und es ist fragwürdig, ob sich die Verantwortlichen bei Edeka überhaupt der Situation bewusst sind oder einfach darauf vertrauen, dass die Produktschlüssel aus seriösen Quellen stammen. Unter anderem wird auch die ComputerBILD zitiert: „Das ist laut Europäischem Gerichtshof legal, so dass der günstige Weiterverkauf an Endnutzer kein Problem darstellt.“ Solche Aussagen sind geschickt zitiert worden, um den Anschein eines zweifelsfrei seriösen Angebots zu erwecken. Dabei gibt es einige Ungereimtheiten. Ganz so einfach, wie manche „Experten“ die Lage bewerteten, ist es nicht. Denn ein Produktschlüssel ist nicht zwangsläufig eine ordentliche Lizenz. Mitunter haben einige Redaktionen ihre ursprüngliche Einschätzung revidiert und sich die Sachlage erneut angesehen. Bei Lizengo sind die oben genannten Angaben mittlerweile von der Website verschwunden, da die Zusammenarbeit zwischen EDEKA und Lizengo beendet worden ist. Lediglich das Eingabefeld für Software-Codes war am Montag, 28. Oktober 2019, noch vorhanden – auch hier mit Hinweis auf EDEKA. Wie heise.de berichtet, erklärte Lizengo-CEO Tobias M. Zielke, dass die Kooperation beendet werde. Der Vertrieb ihrer Produkte bei Edeka sei „durchaus legal und rechtlich einwandfrei“, erklärt dieser weiter. Dennoch werde die Kooperation beendet – das habe man laut Zielke bereits im August beschlossen. „Die Markt-Kunden haben unsere Produkte sehr positiv aufgenommen, jedoch ist für Lizengo als reiner e-Commerce-Shop die Optimierung auf Tagesbasis zielführender.“ Lizengo liegt nach eigener Auskunft bisher (Stand: 23.10.2019) keine Klage vor. Das Kölner Unternehmen beruft sich darauf, dass ihr Geschäftsmodell in „urheberrechtlicher Hinsicht zulässig“ sei. 2018 habe dies eine anwaltliche Prüfung gegeben. „Des Weiteren lassen wir uns bestätigen, dass unsere angebotenen Produkte für den vorgesehenen Wirtschaftsraum freigegeben sind“, heißt es auf der Lizengo-Homepage.
Geschichte und Herkunft von Softwarelizenzen: Kuriose Erkenntnisse
Recherchen der CRN zeigten vor etwa einem Monat, dass es Ungereimtheiten gibt. Aus den vorliegenden Dokumenten sei keinerlei eindeutiges Nutzungsrecht für die Software abzuleiten, heißt es. Gegenüber der CRN teilte Microsoft mit, dass beim Microsoft Produktidentifikationsservice (PID) eingereichte Lizengo-Software geprüft wurde, um Herkunft und Geschichte zu ermitteln. Die Ergebnisse der Untersuchungen des PID zeigen laut CRN, dass mehrere von Kunden per Edeka-Gutscheinkarte erworbene und zur Überprüfung eingeschickte Produktschlüssel von Microsoft Office Home and Student 2016 ursprünglich aus dem chinesischen OEM-Markt stammen und deshalb weder neu noch gebraucht in Deutschland verkauft werden dürften, da das erstmalige Inverkehrbringen außerhalb der Europäischen Union stattfand. Bei Produktschlüsseln von Microsoft Office 2016 Standard fiel dem PID auf, dass diese aus Volumenlizenzverträgen mit ausländischen Universitäten stammen. Einzelne solcher Keys wurden von Lizengo nachweislich an mehrere verschiedene Kunden geliefert und teils mehr als fünfundzwanzig Mal aktiviert. Microsoft-Recherchen ergaben zudem, dass die betreffenden Universitäten keine Kenntnis über entsprechende Verträge hatten.
Viele offene Fragen
Darüber hinaus gab es laut Microsoft zwei Keys von Windows 10 Pro, die ursprünglich im Rahmen eines speziellen Lizenzprogramms für Bildungseinrichtungen an eine Universität in den USA vergeben worden waren, auch mit solcher Ware darf in Deutschland nicht gehandelt werden. Einer der Produktschlüssel wurde laut Microsoft bereits neunmal, der andere siebenmal aktiviert. Interessant sind auch die äußerst günstigen Preise, welche laut Lizengo durch den Einkauf von Überkapazitäten bei Distributoren erreicht werde. Bei Recherchen und Testkäufen der CRN-Redaktion hat jedoch keiner der befragten Distributoren jemals Lizengo beliefert. Dass die Distributoren die Software direkt bei Microsoft beziehen und die Preise bereits im Einkauf wiederum deutlich höher sind als die bei Lizengo aufgerufenen, lässt hellhörig werden. Außerdem sollte beachtet werden, dass die Werbekampagnen für die Lizengo-Software nicht billig gewesen sein dürften, was die Marge ebenfalls reduzieren dürfte. Es bleibt also einige Fragen offen:
- Wie lautet die Geschichte/Herkunft der Produktschlüssel?
- Bei welchen „Distributoren“ sollen die Produktschlüssel erworben worden sein?
- Wie können die Distributoren Dumpingpreise dieser Art anbieten?
- Warum sollten Distributoren deutlich mehr Lizenzen einkaufen als sie verkaufen können, denn gerade bei den von Lizengo angebotenen Produkten Office Standard und Office Professional Plus werden immer nur nach Kundenauftrag bestellte exakte Stückzahlen 1:1 eingekauft und weitergereicht.
- Wie soll auch hinsichtlich der Werbemaßnahmen noch eine Marge für Lizengo bleiben?
- Inwiefern sollen die Produktschlüssel ein eindeutiges Nutzungsrecht aufweisen und ggf. einem Audit standhalten?
Wir werden den Fall weiterhin beobachten und Sie bei Neuigkeiten umgehend informieren.
Ein Gedanke zu „Lizenzschlüssel zwischenzeitlich bei EDEKA erhältlich: Microsoft leitet rechtliche Schritte gegen Lizengo ein“